Interview mit Maike Goldkuhle, Director of Human Resources bei Cleverbridge AG, Köln
1.
Die cleverbridge AG ist ein international operierender Anbieter von E-Commerce-Lösungen mit Hauptsitz in Köln. Neben Köln haben Sie auch Büros in den USA und Japan. Wie setzt sich Ihre Belegschaft zusammen?
Am Standort Köln beschäftigen wir drei große Mitarbeitergruppen: 1. Fachkräfte im Bereich Technologie und Programmierung, 2. Kollegen in den unterstützenden Abteilungen wie Buchhaltung, Recht, Personal und Corporate Development und die dritte große Mitarbeitergruppe sind unsere Kollegen im Kundenservice. Insgesamt beschäftigen wir als Full-Service Dienstleister Mitarbeiter in vielen verschiedenen Ausprägung und Fachrichtungen.
2.
E-Commerce ist eine aktuelle und sehr zukunftsorientierte Branche mit besten Wachstumsraten. Welche Bewerber/innen sind aktuell gefragt und wie rekrutieren Sie diese? Gibt es im Hinblick auf den Bewerbungsprozess offensichtliche Unterschiede zwischen Deutschland, den USA und Japan?

Maike Goldkuhle ist Director of Human Resources bei der Cleverbridge AG. Sie hat viel Erfahrung im Recruiting von Fachkräften für die IT-Branche und gibt im Interview klare Antworten auf Fragen rund um die Bewerbung. Maike Goldkuhle hat am Fachbuch „WERTEorientierte Führung von Familienunternehmen“ (Affiliate Link) mitgewirkt und dort ihre Erfahrungen als HR-Spezialistin eingebracht.
Natürlich jammern wir wie viele andere Software und Internetunternehmen über den Bewerberengpass im Technologie-Bereich. Insgesamt ist der Arbeitsmarkt in Deutschland aber recht leer gefegt. Insofern stehen wir in fast allen Abteilungen einer enormen Herausforderung gegenüber, gerade wenn es mal schnell gehen muss. Und eigentlich muss es bei uns immer schnell gehen. Und da haben wir schon die Brücke zum Recruiting in den USA. Dort haben wir einen viel höheren Rücklauf von Bewerbungen auf Stellenausschreibungen. Insofern ist eine Nach- oder Neubesetzung meist viel schneller möglich als hier.
3.
Ihre gesamte Webpräsenz ist in englischer Sprache gehalten. Wie wichtig sind die Sprachkenntnisse für die Auswahl von Fachkräften in Deutschland? Muss man Englisch fließend und verhandlungssicher beherrschen, oder reichen auch durchschnittliche Kenntnisse aus, um ein Vorstellungsgespräch zu erzielen – und dann auch zu bestehen?
Ja und nein. Englisch ist in unserer Branche natürlich unvermeidbar und dem entsprechend ein Must have;-) Allein der Begriff e-commerce – für den es eigentlich keine sinnvolle Übersetzung gibt – sagt das schon aus. Bei uns gibt es viele rnglische Fachwörter und eine spezielle e-commerce Terminologie. Da wird nichts ins Deutsche übersetzt. Unsere internen Seiten sind ebenfalls auf Englisch. Ich würde sagen, man muss auf jeden Fall Englisch gut verstehen und sprechen können. Ich bin der Meinung, dass das in Zukunft auch immer wichtiger wird. Wir rekrutieren derzeit auch auf dem europäischen Markt. Die Kandidaten sprechen in der Regel kein Deutsch, sondern Englisch. Wenn wir also einen neuen Mitarbeiter in ein Team integrieren möchten, dann muss das Team auch entsprechende Englischkenntnisse vorweisen können. Denn ab dann wird ein Teammeeting auf Englisch stattfinden müssen.
4.
Berufsbedingte Auslandsaufenthalte üben nach wie vor einen großen Reiz auf viele Bewerber/innen aus. Was kann man tun, damit man eine solche Karriere bei cleverbridge verfolgen möchte? Auf welche Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Soft Skills wird bei Ihnen besonders viel Wert gelegt?

Die Cleverbridge AG ist ein IT-Unternehmen mit Fokussierung auf e-Commerce und SaaS und hat Standorte in Köln, Chicago, San Francisco und Tokio.
Wir haben uns in den letzten zwei Jahren viel mit dem Thema Unternehmenskultur und Unterschiede zwischen Kulturen beschäftigt. Das ist ein andauernder Prozess und wird auch noch lange ein Thema für uns sein. Jetzt können wir viel besser benennen, dass es Herausforderungen im Alltag mit Kollegen anderer Nationalitäten gibt. Soft Skills sind deshalb für uns sehr wichtig. Gerade laufen bei uns Trainings in Bezug auf interkulturelle Unterschiede und Begebenheiten an, um mehr Kollegen für diese Themen zu sensibilisieren. Ist das eine ausreichende Grundlage für eine Karriere? Sicher nicht. Zu diesem Paket gehören für mich auch noch verschiedenste Kompetenzen und heutzutage insbesondere Veränderungsfähigkeit. Und dann frage ich Sie, was bedeutet denn Karriere? Ein dickes Auto zu fahren, viele Mitarbeiter unter sich zu haben? Ich glaube, wir müssen weg von dem Karrieredenken und lieber das Miteinander und gemeinschaftliche Lösen von Herausforderungen, unabhängig von extrinsischen Anreizen, fördern. Wenn dann ein Business Need besteht, bzw. ein Mehrwert für ein Projekt oder eine Aufgabe nachweisbar ist, genau dann ergibt es auch Sinn, über Job Rotation und Auslandsaufenthalte nachzudenken. Es ist aber nicht sinnvoll, das an eine Karriere zu knüpfen, sondern vielmehr den inhaltlichen Bedarf zu erkennen und heraufzufinden.
5.
Welche Tipps können Sie Bewerbern/innen geben, wenn sie eine Karriere bei cleverbridge anstreben? Wie sieht aus Ihrer Sicht die optimale Bewerbung aus?
Ich freue mich, wenn ich die individuelle Note herauslesen kann und ein Lebenslauf knapp und fokussiert ist. Das bedeutet, ich wünsche mir, dass jemand die wichtigsten, letzten Stationen hervorhebt und im Anschreiben einen Bezug zu den von uns gewünschten Anforderungen herstellt. Ich mag es auch etwas locker und individuell, weil das auch am ehesten unserer Kultur entspricht. Daran merke ich, ob jemand sich die Webseite schon angesehen hat. No Go: Wenn jemand aufführt, dass er sein Seepferdchen vor 15 Jahren geschafft hat und eine Ehrenurkunde im Leichtathletik in der vierten Klasse erhalten hat.
6.
In nicht wenigen Fällen scheint alles zu stimmen – man verfügt über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, die Bewerbungsunterlagen sind einwandfrei – und trotzdem klappt es nicht, man erhält eine Absage. Woran kann es in einem solchen Fall gelegen haben? Was raten Sie Bewerber/innen, wenn es mit der Bewerbung und der Wunschstelle nicht geklappt hat?

In Deutschland gibt es einen Fachkräftmangel in den Bereichen IT und Software. IT-Spezialisten sollten über sichere Englischkenntnisse verfügen, damit die Bewerbungschancen gut sind.
Ich sage Bewerbern, bei denen es nicht geklappt hat, dass es gar nicht an ihnen liegt, sondern es gab einfach jemanden, der ein noch besser passendes Profil hat. Das können manchmal nicht sichtbare Kleinigkeiten sein. Wir suchen z. B. einen Business Analysten mit Bachelor Abschluss und Englischkenntnissen. Parallel zur Ausschreibung entsteht ein neues Projekt, das sich mit dem Chinesischen Markt beschäftigt. Im Bewerbungsgespräch finden wir heraus, dass einer der Kandidaten, die formell alle die gleichen Grundlagen erfüllen, ein Jahr in China gelebt hat. Natürlich nehme ich dann den. Stand das in der Ausschreibung? Leider nein. Ist der andere Kandidat der vielleicht ein Praktikum in den USA gemacht hat deshalb dann schlechter? Auch nein. Man darf nicht locker lassen, oder eine Absage gar persönlich nehmen. Lieber anrufen und nachhaken. In einem gewissen (rechtlichen) Rahmen geben wir Auskunft, warum es nicht geklappt hat. Wenn sich jemand bei mir meldet, merke ich, dass das ein proaktiver interessierter Kandidat ist. Den lege ich mir auf die Wiedervorlage und erinnere mich daran, wenn ich eine weitere Stelle offen habe.

Till Tauber ist seit 2013 als freiberuflicher Bewerbungsschreiber tätig und greift hierzu auf sein Wissen als Diplom-Ingenieur mit zusätzlichem MBA-Abschluss zurück. In dieser Zeit hat er mehr als 3.500 Bewerbungen im Kundenauftrag geschrieben – und weiß, worauf es beim Anschreiben sowie beim Lebenslauf ankommt. Auf TT Bewerbungsservice schreibt er zu aktuellen Themen rund um die Bewerbung.