Interview mit Dr. Martina Nohl, Geschäftsführerin der Akademie für Übergangscoaching
1.
Sie haben in Ihrer selbständigen Coaching- und Beratungstätigkeit bereits eine Vielzahl an Menschen mit ganz unterschiedlichen Werdegängen beraten und betreut. Kommen Ihre Kunden heute mit anderen Fragestellungen zu Ihnen, als noch vor ein paar Jahren? Oder meist eher dann, wenn der Leidensdruck bei der derzeitigen Tätigkeit zu hoch ist?

Im Kontext des Laufbahn- und Karrierecoachings gibt es viele offene Fragen. Dr. Martina Nohl gibt klare Antworten aus der Perspektive eines Coachingprofis.
Ich kann da keine spezifische Änderung in den Fragen, mit denen meine Klientinnen und Klienten kommen, feststellen. Eine für mich sehr spannende Entwicklung sehe ich, dass sich manche Menschen proaktiv und fast schon prophylaktisch mit einer Neuorientierung auseinandersetzen. Sie möchten in der Lebensmitte einfach sehen, was sie alternativ noch für Möglichkeiten haben und ausloten, ob sie einen dieser Wege beschreiten möchten. Dieses Verhalten für zu einer Art Orientierungskompetenz, dass es für diese Menschen im Ernstfall dann leichter ist, sich auf etwas Neues einzulassen.
2.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Karriereberater bzw. Coach aus?
Da kommt mir Demut in den Sinn, Demut vor dem Leben der Menschen, die sich entschieden haben, mit mir zusammenzuarbeiten. Hier gebietet der Respekt, dass die Lösungs- und Gestaltungshoheit absolut bei ihnen verbleibt und ich „nur“ passende Interventionen und den Rahmen mit meiner Beratungskompetenz stelle. Auch liegen mir die Menschen, mit denen ich arbeite, am Herzen, sie sind keine Nummer und deswegen kann ich auch nicht so viele Beratungssitzungen an einem Tag haben. Aber auch Demut gegenüber dem Prozess, der zwar gestaltet werden möchte, sich aber auch entwickeln muss. Ich habe hier am Anfang meiner Beratungstätigkeit viel mehr versucht zu steuern. Weiterhin sehe ich permanente Weiterbildung zur Kompetenzerweiterung und eigene Supervision zur Reflexion meines professionellen Handelns als absolut wichtig an.
3.
Die Inanspruchnahme einer umfassenden Karriere- oder auch Bewerbungsberatung ist für Fach- und Führungskräfte seit Jahren gängig und wird auch aktiv genutzt. Hat man einmal in Aus- und Weiterbildung investiert, ist man durchaus öfter bereit, dies auch in Zukunft zu tun. Hat sich die Zusammensetzung Ihres Klientenstammes über die Jahre verändert? Nutzen nun z. B. auch mehr Berufsanfänger Ihren Rat?

Dr. Martina Nohl ist Berufspädagogin und Geschäftsführerin der Akademie für Übergangscoaching in Neckargemünd. Mit ihrer Promotion im Bereich der Entwicklung von Übergangskompetenz in der Laufbahnberatung verfügt Dr. Nohl über die entsprechende Fachexpertise, um ein nachhaltige Weiterbildungsmöglichkeiten für Coaches, Trainer und Berater anzubieten.
Die Zusammensetzung meiner Klienten ist sehr gemischt, obwohl ich interessanterweise von Anfang an viele Coaches und Berater selbst beraten habe, daher inzwischen auch das gezielte Angebot „Coach the Coach“. Ich mag es, mit Menschen mit den unterschiedlichsten Bildungshintergründen zu arbeiten vom Werksarbeiter bis zum Hochschullehrer. Mit BerufsanfängerInnen, SchülerInnen und StudentInnen habe ich eher weniger zu tun. Der Laufbahnberatungsansatz baut darauf auf, dass die Klienten sich selbst schon in beruflichen Bezügen erlebt haben, das ist bei wenigen und kurzen Praktika oft nicht so gegeben.
4.
Sie bieten ebenfalls Beratung und Hilfestellungen in Bezug auf die Unterlagen Ihrer Klienten an. Was sehen Sie im Kontext der Bewerbungserstellung als besonders wichtig an? Gibt es vermeidbare Fehler, die Sie häufig sichten?
Ich schreibe keine Bewerbungen für meine KlientInnen, das fände ich nicht zielführend, da es ja um Hilfe zur Selbsthilfe auch im Blick auf zukünftige Bewerbungen geht. Wo ich allerdings meine Unterstützung anbiete, ist bei der Verpackung. Denn auch inhaltlich gute Bewerbungen sehen oft sehr unprofessionell aus. Und das Auge der Personaler isst mit, oder?
Vermeidbare Fehler sind meines Erachtens, zu wenig Motivation im Anschreiben darzustellen und sich zu wenig Zeit für die individuelle Bewerbung zu nehmen. Ich halte es für wichtig, sich intensiv mit dem Stellenprofil auseinanderzusetzen und neben der „Behauptung“ von Eigenschaften, Fähigkeiten und Kompetenzen immer auch Belege zu geben und diese auch für ein potentielles Jobinterview bereit zu halten.
5.
Im Zuge der Hochschulreformen und den gestiegenen Ansprüchen in diversen Ausbildungsgängen konzentrieren sich viele Arbeitnehmer häufig ausschließlich auf das rein Fachliche – oft weniger auf Berufszufriedenheit und Zufriedenheitsfragen. Wie finden Sie gemeinsam mit Ihren Klienten Lösungsansätze? Wie sehen diese aus?

Mit einem professionellen Übergangscoaching besteht die Möglichkeit, viel Wertvolles zu schöpfen. Beim Coaching geht es immer um Weiterentwicklung.
Klienten, die überwiegend auf ihre Fach- oder Führungskarriere fokussiert sind, landen eher selten oder wenn, dann sehr spät bei mir. Dann, wenn sich ihnen tatsächlich die Sinnfrage durch äußere Ereignisse wie Entlassungen oder größere Einschnitte wie Krankheit stellt.
Da sie gewohnt sind, sehr effektiv zu arbeiten, möchten sie natürlich ihren beruflichen Orientierungsprozess auch in gewohnten Mustern „abarbeiten“. Hier versuche ich im Sinne meines Konzepts des Übergangscoachings deutlich zu machen, dass gerade in den Zwischenzeiten des „Nicht mehr“ und „Noch nicht“ viel Wertvolles liegt und es sich nicht bewährt, diese Phase, auch wenn und gerade weil sie so unangenehm sind, abzukürzen. Sie holt uns sonst nach wenigen Monaten ein. Dann geht es mir darum, die Angst zu nehmen, dass es immer die ganz große Lösung sein muss. Auch Sowohl-als-auch-Lösungen wie ein persönliches Projekt, das mehr Zufriedenheit ins Leben bringt, sind Möglichkeiten, die sich entwickeln werden. Ich vertraue hier auf den systemischen Ansatz, dass eine Änderung im System die Entwicklung in Gang bringt, die das System als Ganzes wieder mehr ins Lot bringt.
Dieses Interview mit Dr. Martina Nohl, Geschäftsführerin der Akademie für Übergangscoaching wurde von Till Tauber, dem Bewerbungsschreiber aus dem Raum Hannover / Braunschweig.

Till Tauber ist seit 2013 als freiberuflicher Bewerbungsschreiber tätig und greift hierzu auf sein Wissen als Diplom-Ingenieur mit zusätzlichem MBA-Abschluss zurück. In dieser Zeit hat er mehr als 3.500 Bewerbungen im Kundenauftrag geschrieben – und weiß, worauf es beim Anschreiben sowie beim Lebenslauf ankommt. Auf TT Bewerbungsservice schreibt er zu aktuellen Themen rund um die Bewerbung.